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Ehrenurkunde von hinten |
'Sehr geehrte Damen und Herren!' Da kommt ja schon einiges an Hochschätzung zusammen. Eine Dame ist eine weibliche Person von Adel; zugrunde liegt das lateinische "domina" (Hausherrin, Herrin). Übrigens hat auch die Anrede "Frau" die Bedeutung Herrin. Herrinnen und Herren sind, beim Wort genommen, "hehre", das heißt altehrwürdige, ja, Ehrfurcht gebietende Personen von geradezu göttlicher Erhabenheit. Und die derart verherrlichten Adressaten werden nicht nur schlicht und ergreifend geehrt, sondern auch noch "sehr". Wäre es nicht genug der
Ehre, sie wie bei "Lieber Hans" und "Liebe Grete" als "Liebe Leute" zu begrüßen? Es wäre zugegeben weniger
höflich. Aber genügt nicht vollauf das "Liebe", wenn es so lieb gemeint wie gesagt ist, um jemandem, wer es auch sei, die gebührende Ehrerbietung zu bekunden? Vielleicht ist es oft nicht einmal dann ehrlich gemeint, wenn jemand als lieb angesehen wird statt als sehr geehrt. Aber die "Lieb"-Titulierung eines Menschen ist ganz bestimmt nicht nur die wunschgemäßere, sondern auch die gottgefälligere. Gott selber ist es, der vor allem geliebt sein will (
Mt 22,37). Eigentlich gebietet er diese Liebe gar nicht im gewöhnlichen Sinn von gebieten und vorschreiben. Vielmehr macht ihn das, was sie im Vollsinn des Wortes bedeutet, so maßgeblich aus, dass man sagen kann: "Gott ist die Liebe" (
1 Joh 4,16). Alle anderen Formen der Liebe sind Tönungen dieser tonangebenden Urform, oft leider bis zur Unkenntlichkeit, ausnahmslos aber im Stand der Wiederherstellbarkeit, Erlösbarkeit. Je mehr wir wirklich lieben, desto mutiger und tiefer glauben wir an die Liebe, desto inniger und freudiger ist unser
Gotteslob. Weil Gott die Liebe ist, können wir ihn gar nicht hoch genug lobpreisen, ihn gar nicht "sehr" genug ehren, ihn gar nicht zutreffend genug für unseren Herrn und Vater halten. Nur
Jesus kann das, nur die Mensch gewordene Liebe selbst. Die übrigen Menschen mögen einander höflich anreden und dazu die für den Menschenverstand auslotbaren Begriffe von Ehre und Herrschaft bemühen. Dabei tut freilich die Einsicht not, dass Gott und – mit ihm im Bund – Glaube,
Lob und Liebe Haupt- und Herzenssachen sind, die entschieden über unseren Verstand gehen.
Bildquelle: Stephanie Hofschläger / pixelio.de
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